Liebe Puchheimerinnen, liebe Puchheimer,
der Stadtkämmerer hat Ende Juli für die Verwaltung eine Haushaltssperre angeordnet mit der Order, eine Einsparung von 15 Prozent der Ausgaben für das laufende Jahr 2025 zu erzielen. In Puchheim ist dies ein ungewöhnlicher Schritt, für viele andere Kommunen ein übliches Mittel, mit der prekären Haushaltslage zurechtzukommen.
Im Zuge dessen hat mich der Stadtrat beauftragt, gegenüber dem Bayerischen Finanzministerium die Forderung aufzumachen, die überplanmäßigen Erträge des Freistaates aus der fälligen Erbschaftssteuer des Unternehmers Thiele in Höhe von 4,5 Milliarden Euro an die Kommunen durchzureichen. Die Antwort des Regierungsbeamten war erwartbar nüchtern: Der Freistaat müsse vom Staat auferlegte Anforderungen erfüllen und brauche das Geld selber.
Zwei grundlegende Verwerfungen lassen sich in dieser „Episode“ erkennen. Zum einen ist es wenig erklärbar, wie sich Einzelpersonen ein derartiges Vermögen erwirtschaften können, das am Ende mit lediglich 4,5 Milliarden Euro Erbschaftssteuer versteuert werden muss. Die Thiele-Familie hatte vor, über die Gründung einer Stiftung diesen Steuerbetrag zu vermeiden, was jedoch nicht mehr rechtzeitig vor dem Ableben des Erblassers gelang. Meiner Überzeugung nach ist die Anhäufung derart astronomischer Finanzmittel gesellschafts- und demokratieschädlich. Wenn die öffentliche Hand für sozialen Frieden, einigermaßen faire Arbeitsbedingungen und wirtschaftliche Infrastruktur enorme Mittel aufwendet und diese Mittel immer prekärer werden, dann ist es auch die Verantwortung aller, auch superreicher Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, sich an dieser gesellschaftlichen Aufgabe stärker zu beteiligen. Nach der Formel „wer viel hat, kann viel bewirken“. Diese Einstellung mag politisch umstritten sein, aber sparen bei Sozialleistungen wird sicherlich nicht reichen.
Der zweite Strang betrifft das Verhältnis Land / Kommunen. Während seitens der Staatsregierung immer mehr Aufgaben an die Städte und Gemeinden übertragen werden, wird die Finanzierung dieser Aufgaben maximal über einmalige Fördergelder abgedeckt. Betriebskosten beim Ganztagesunterricht, Software-Updates für Digitalisierungsmaßnahmen, Umsetzungsmaßnahmen bei der Wärmeplanung sind nur einige wenige Beispiele dafür, dass die Kommunen im alltäglichen Erfüllen von Aufgaben auf sich allein gestellt sind. Zusätzlich sind die Sanierung und Erweiterung der Infrastruktur zu finanzieren, was allein bei der Mittelschule in Puchheim zum Beispiel 32 Millionen Euro verschlingt. Wenn der Freistaat für den eigenen Haushalt ohne neue Schulden auskommt, mag das ein Erfolg sein, der auf Kosten der Kommunen, die ihrerseits Kredite aufnehmen müssen, erkauft wird. Bei der Durchreichung der Kommunal-Milliarde des Bundes für die Infrastrukturmaßnahmen wird sich zeigen, wie viel Verantwortung der Freistaat für die kommunale Ebene übernehmen will.
Puchheim ist die Gemeinde im Landkreis Fürstenfeldbruck mit der höchsten Steuereinkunft. Wir hängen nicht am Tropf der Schlüsselzuweisung. Die Bilanzsumme der Stadt ist in den letzten zehn Jahren beständig gewachsen, aber unser Haushalt gerät immer deutlicher aus der Balance durch Steigerungen, insbesondere bei der Kreisumlage. Diese Entwicklung kann die Stadt alleine nicht auffangen. Dazu braucht es das „ganze Dorf“: Staat, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger. Es geht schließlich um die Lebensverhältnisse der Menschen hier in Puchheim. Und diese entscheiden dann am Ende auch darüber, wie viel Vertrauen in Demokratie und Zusammenhalt vor Ort schwindet oder eben gelebt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Seidl
Erster Bürgermeister