Liebe Puchheimerinnen, liebe Puchheimer,
am 8. Oktober ist Landtagswahl in Bayern. Etlichen Wahlberechtigten sind diese und andere Wahlen nicht wichtig und sie enthalten sich der Wahl. Sie begründen es damit, dass man eh keine richtige Auswahl bei den Parteiprogrammen treffen kann, außerdem hat eine einzelne Stimme ohnehin keine Bedeutung und selbst wenn, dann würde sich nach der Wahl sowieso nichts ändern und der gleiche Trott würde weiter fortgesetzt werden. Stimmen diese Einschätzungen? Kann man sich das Wählen wirklich sparen, weil das Wahlergebnis nicht alltagsrelevant sein wird?
Ungeachtet dessen, dass es ja wohl keine besseren Möglichkeiten als demokratische freie Wahlen gibt, die zur Regierungsbildung beitragen, sind die oben genannten Begründungen für eine Wahlenthaltung oberflächlich und vielleicht auch etwas bequeme Entschuldigungen. Dass die „großen Parteien“ eine breite gemeinsame Schnittmenge in ihren Programmen haben, ist ein starkes Zeichen dafür, dass man auf dem Boden des Grundgesetzes steht und von dort aus Politik gestalten will. Menschenwürde, Demokratie, soziale Marktwirtschaft sind die Startpunkte für jede Routenplanung hin zu konkreten Gesetzesvorlagen. Was sich so selbstverständlich liest, ist durchaus nicht bei allen Parteien selbstverständlich. Bei der Wahl entscheiden Sie also mit, welchen Startpunkt und welche Wege Sie als zielführend, vernünftig und gangbar erachten. Die einzelnen Parteien bieten Ihnen hierfür unterschiedliche Vorschläge an: steilere oder schnellere Wege, schonendere oder unterstützte Routen, andere Zwischenstationen oder bestimmte Schwerpunkte.
Hat man mit seiner Stimme überhaupt Einfluss auf „die da oben“? Ja, hat man. Aber man entscheidet nicht alleine mit seiner Stimme nach dem Motto „ich wähle und dann ist es so“. Die große Errungenschaft der demokratischen Wahl ist, dass jede einzelne Stimme den gleichen Wert hat. Egal welchen Platz ein Mensch in der Gesellschaft einnimmt – alle haben die gleiche Wahlkraft. Knappe Wahlergebnisse, die gar nicht so selten sind, sind das beste Argument dafür, seine Stimme abzugeben.
Manche kritisieren die Abgehobenheit der Politik und fordern direkte Beteiligungsformate wie Bürgerentscheide als Gegenpunkt. Man übersieht bei dieser Art der Politik, dass viele solcher Abstimmungen den Gleichheitsgrundsatz nicht einhalten können, weil sich lautstarke Positionen mehr durchsetzen können, weil die Manipulationsmöglichkeiten größer sind und weil das Interesse für die Beteiligung bei den Bürgerinnen und Bürgern oft nicht da ist. Das mag zwar bei übergeordneten Wahlen auch alles der Fall sein, aber durch das statistische Gesetz der großen Zahl gleichen sich hier Fehler viel leichter aus, so dass das Wahlergebnis belastbar ist.
Wir haben jetzt zwei Jahre Ampelkoalition im Bund erlebt. Wer nach diesen zwei Jahren noch sagt, dass sich nach Wahlen sowieso nichts ändert, der verweigert sich der Realität. Ich finde, dass sich ziemlich viel verändert hat mit dieser Regierung, natürlich auch, weil die äußeren Umstände durch Corona und Ukraine-Krieg dies erfordert haben. Ein großer Teil der Bevölkerung findet sogar, dass die Regierung gerade viel zu viel verändern will. Viele Menschen fühlen sich dadurch überfordert und laufen Propheten hinterher, die einfache und billige Lösungen aller Fragen versprechen. Nebenbei, wenn Klimawandel, Migration oder Wirtschaftskrise so leicht zu lösen wären, würden alle Verantwortlichen dies sofort machen. Aber einfach ist halt in der Regel einseitig. Diese Reaktionen oben zeigen jedoch klar, dass Parteien durchaus in der Lage sind, ihre Wahlprogramme umzusetzen und Veränderungen anzustoßen.
Zusammengefasst: Weil es unterscheidbare Politikvorschläge gibt, können Sie entscheiden, was sich nach der Wahl verändern soll. Und deswegen sollten Sie zur Wahl gehen! Jede Wahl ist ein Bekenntnis für das demokratische Grundsystem, auf dem der Bund und die Länder stehen. Lösen Sie Ihre Pflicht zur Wahl ein. Stärken Sie die Demokratie und entscheiden Sie, wie es in Bayern nach dem 8. Oktober weitergehen soll.
An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei all denen bedanken, die diese Wahl organisieren und durchführen. Bei der Verwaltung, bei den Wahlhelferinnen und Wahlhelfern. Danke für Ihren Einsatz!
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Seidl
Erster Bürgermeister