Nachfolgend werden verschiedener Malereien und Grafiken im Besitz der Stadt Puchheim steckbriefartig vorgestellt. Weitere Informationen zu den Werken sowie den Künstlerinnen und Künstlern sind in der Dokumentation "Kunst in Puchheim. Skulpturen, Plastiken und Bilder in städtischem Eigentum - Städtische Räume für Bildende Kunst" von Werner Dreher zu finden.
Inhalt:
Barbara Saatze
Monika Scheliga
Sigrid Sellmayr
Rudolf Sonnleitner
Emil Szekeres
Erzsébet Vassy
Josef Wahl
Walter Weingart
Julius Wölfinger
Rudolf Wöretshofer
Guido Zingerl
Barbara Saatze
Angst / Flucht (2003)
Öl auf Leinwand
Höhe 90 cm, Breite 100 cm
Standort: Rathaus, Erdgeschoß
Angekauft am 24. März 2020 zum Preis von 500 Euro
Hans Angst und Flucht im Irakkrieg
Das Jahr 2003, in dem Barbara Saatze dieses Bild in expressionistischer Farbgebung malte, stand im Zeichen des Irakkriegs. Als „Koalition der Willigen“ brachen die USA und Großbritannien einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak vom Zaun, um eine angebliche Bedrohung der USA durch irakische Massenvernichtungswaffen zu verhindern. Am 20. März 2003 begann die Militäroperation mit der Bombardierung der irakischen Hauptstadt Bagdad und dem Sturz des damaligen Diktators Saddam Hussein. Am 1. Mai 2003 erklärte der US-Präsident George W. Bush den Krieg für siegreich beendet. In der Folgezeit blieb der Irak bis 2011 ausländisch besetzt. Es herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände und es folgte eine Expansion terroristischer Gewalt durch den sogenannten „Islamischen Staat“. 40.000 Soldaten fanden im Irakkrieg den Tod, bis zu 600.000 Zivilisten ließen bis zum Ende der Besatzung ihr Leben. Rot, die Farbe von Feuer und Blut, herrscht in Barbara Saatzes Ölbild vor. Stahlblau heben sich Kampfbomber und Vernichtungswaffen der Bodentruppen davon ab. In Weiß, der Farbe der Unschuld gehüllt, versucht eine angstvoll zusammengedrängte Gruppe von Menschen dem Inferno zu entfliehen. Über ihnen verflüchtigt sich eine entseelte Gestalt wie eine verbleichende Wolke am blutroten Himmel.
Barbara Saatze
Im Wald (2009)
Öl auf Leinwand
Höhe 80 cm, Breite 100 cm
Standort: Rathaus, Erdgeschoß
Angekauft am 24. März 2020 zum Preis von 400 Euro
Die Vorstellung der Künstlerin prägt die Bildkomposition
„Wenn ich wüsste, was Kunst ist, würde ich es für mich behalten.“ Mit einem Zitat von Pablo Picasso überschreibt Barbara Saatze ihre Internetseite. Sie ahmt jedoch keineswegs die Malweise des spanischen Kubisten nach, sondern greift dessen Kunstanschauung auf, wonach nicht die Kunst der Wahrnehmung den Bildinhalt prägt, sondern die Vorstellung des Künstlers von den Gegenständen der realen Welt. Ihr Ölbild „Im Wald“ ist ein typisches Beispiel dafür. Blickwinkel und Perspektive spielen keine Rolle mehr. Licht und Schatten fallen von allen Seiten auf den Waldboden und überkreuzen sich sogar. Links im Bild taucht Morgenlicht die oberen Baumregionen in ein sanftes Grün, rechts unten legt das Abendlicht tiefblaue Schatten auf die Stämme. In der Mitte dringt gleißendes Mittagslicht durch das Dickicht, während zu Rändern hin mildere, sanft verschleierte Lichtstrahlen die Waldbäume umhüllen. Zahlreiche Facetten eines Tagesablaufs im Wald, die verschiedenen Lichtstimmungen und Farbtemperaturen wirken so auf der Leinwand zusammen und gestalten eine in sich geschlossene, von der Vorstellung der Künstlerin geprägte Bildkomposition.
Barbara Saatze
Die Krähen (2012)
Öl auf Leinwand
Höhe 50 cm, Breite 70 cm
Standort: Rathaus, Erdgeschoß
Angekauft am 24. März 2020 zum Preis von 400 Euro
Krähenportraits mit mythologischen Zuschreibungen
Im Jahr 2012, als die Puchheimer Künstlerin Barbara Saatze ein Krähenbild malte, erregte eine Saatkrähenkolonie, die sich im Schopflach-Friedhof niedergelassen hatte, die Gemüter der Anwohner in Puchheim-Süd. Während Vogel- und Umweltschützer auf den Schutzstatus der krächzenden Vögel hinwiesen, beschwerten sich Anlieger wie auch Friedhofsbesucher über den Lärm, den Dreck und den Schaden, den diese ungebetenen Kolonisten anrichteten. Fünf Exemplare der Gattung Corvus frugilegus sehen wir in schwarzen und metallisch-blauen Ölfarben auf die Leinwand gebannt. Der Vogel links zeigt sich stolz vom Schnabel bis zur Schwanzfeder, seine Artgenossen recken überwiegend nur Kopf und Schnabel ins Bild und beäugen auf unterschiedliche Weise den Betrachter. Die mythologischen Zuschreibungen und Andichtungen, die mit dem Erscheinen der Krähen einhergehen, finden Ausdruck in den Krähenportraits. Tod und Unglück weissagt die eine, als ein wetterkundiges Tier erweist sich die andere, die dritte blickt verschlagen wie ein Saatdieb drein, die vierte gebärdet sich angriffslustig und überträgt den Zorn Gottes, und in der fünften (wohl der linken) steckt die Nymphe Koronis, die Apollon wegen ihrer Untreue in Krähengestalt verwandelt hat.
Monika Scheliga
Kapelle am Gröbenbach (1998)
Aquarell
Höhe 18 cm, Breite 25 cm
Standort: Rathaus-Außenstelle, Alois-Harbeck-Platz 2
Ankauf von der Künstlerin undatiert
Wert ca. 200 Euro
Beschaulichkeit in der herbstlichen Planie
Wenn Monika Scheliga einmal nicht ihre Reiseimpressionen künstlerisch verarbeitet, malt sie vorzugsweise Motive aus ihrem Lebensraum Puchheim. Ein kleines Aquarell von 1998 rückt die Kapelle am Gröbenbach, 1983 von der Familie Harbeck am Rande der ehemaligen Planie erbaut, in den Blickpunkt. In melancholischen Herbstfarben zeigt sich die Natur; zwei kahl gewordene Birken flankieren die kleine Feldkapelle. Diese nimmt die Bildmitte ein, und ein sanft geschwungener Weg führt zwischen zwei Grünflächen einladend auf sie zu. Es ist ein ruhiges, beschauliches Bild, das zu einem archivalisch nicht mehr nachzuweisenden Zeitpunkt in das Eigentum der Gemeinde Puchheim gelangte.
Sigrid Sellmayr
Stadt am Berg (2002)
Mischtechnik auf Papier
Höhe 40 cm, Breite 28 cm
Standort: Rathaus, 1. Obergeschoß, Bürgermeister-Vorzimmer
Ankauf von der Künstlerin am 12. Februar 2003
Kaufpreis 300 Euro
Expressive Darstellung einer steinernen Häuserlandschaft
Das Bild war als Exponat in der Kunstausstellung „Steinlandschaften“ im Januar 2003 in der PUC-Galerie zu sehen. Zusammen mit ihrer Kunstlehrerin Angelika Brach stellte Sigrid Sellmayr gemalte Impressionen ihrer Reisen nach Mallorca und Schottland aus. Dreh- und Angelpunkt der „Steinlandschaften“ waren ein aufgelassener Steinbruch auf Mallorca sowie die Türme, Treppen und Mauerreste schottischer Burgruinen. Im Unterschied zu Angelika Brach, die in oftmals extremen Bildausschnitten die Oberflächenstruktur der Steinplatten plastisch wiedergab, wandte sich Sigrid Sellmayr in expressiver Malweise dem aus Gebäuden und Dächern, steinernen Mauern und Treppen gebildeten Landschaftsmotiv zu. Erdige Farben, vor allem Braun und Ocker in allen Schattierungen, unterstreichen die Szenerie, in der sich weder Mensch noch Tier noch Pflanzen finden. Kubische Formen und kräftige Konturen steigern die expressive Darstellungsweise einer steinernen Häuserlandschaft. Es handelt sich hier um eine südliche Stadtfantasie, aus verschiedenen Urlaubserinnerungen zusammengesetzt.
Rudolf Sonnleitner
Gebirgsbach (o. J.)
Öl auf Leinwand
Höhe 60 cm, Breite 50 cm
Standort: Rathaus, Untergeschoß
Ankauf vom Künstler 1981
Kaufpreis: 900 DM
Romantisch geschilderter Naturausschnitt
Das schon zum Zeitpunkt der Anschaffung aus der Zeit gefallene Bild erwarb die Gemeinde Puchheim im Jahr 1981 zur Ausschmückung des Aufenthaltsraumes im neuen Rathausanbau. Dieser wurde im Stil eines bayerischen Brotzeitstüberls eingerichtet, und dazu passend wählte man Rudolf Sonnleitners Ölbild vom tosenden Gebirgsbach, der in geradezu Ganghoferscher Dramatik wild und ungestüm über Felsbrocken und Wurzelwerk zu Tal stürzt. Die Darstellung des zu Tale stürzenden Gewässers zeichnet sich durch hohe Detailgenauigkeit aus. Dem Bild liegt eine genaue Naturbeobachtung zu Grunde, die in einem subtil geschilderten Ausschnitt naturgetreu wiedergegeben wird. Der Blick des Betrachters wird auf den Vordergrund gelenkt, wo sich der Bach vor der Hintergrundkulisse von Wald und Gebirge seine Bahn bricht. Stilistisch blieb Sonnleitner der romantischen Landschaftsmalerei verhaftet, wie sie hundert Jahre vor seiner Schaffenszeit gepflegt wurde.
Emil Szekeres
Zalaer Hügellandschaft (o. J.)
Mischtechnik auf Papier
Höhe 30 cm, Breite 40 cm
Standort: Rathaus, Erdgeschoß
Geschenk der ungarischen Delegation bei Besuch in Puchheim 1997
Damaliger Schätzwert: ca. 400 DM
Gemalte Liebeserklärung an die transdanubische Heimat
Bei ihrem Besuch vom 11. bis 15. Juni 1997 in der Partnergemeinde Puchheim brachte die Delegation aus Nagykanizsa und Zalakaros ein bezauberndes Landschaftsbild aus der Region um den Plattensee im ungarischen Komitat Zala als Gastgeschenk mit. In der Landessprache trägt es den Titel „Zalam Dombok“, das heißt auf Deutsch Zalaer Hügellandschaft. In Mischtechnik zu Papier gebracht hat es Emil Szekeres, ein akademischer Maler aus Nagykanizsa. In zart-duftigen Grüntönen malte er die zur Transdanubischen Erhebung gehörigen Zalaer Hügel. Ein Baum im Goldenen Schnitt versinnbildlicht die Zalaer Wälder. Rechts daneben schimmert die lehmige Oberfläche des Vendlandes durch. Diagonal durch das Bild gezogene blaue Wasserläufe und weiße Nebelschwaden markieren die Flusstäler der Zala und der Mur, die den Plattensee speisen. Dieser erstreckt sich hinter dem großen Baum bis zur Horizontlinie in der linken Bildhälfte. Das Bild ist eine gemalte Liebeserklärung des Künstlers an seine Heimatregion Zala, die an Kroatien und Slowenien grenzt.
Erzsébet Vassy
Harmonia Zalakaroson (2007)
Pastell auf Leinwand
Höhe 70 cm, Breite 50 cm
Standort: Rathaus, Erdgeschoß
Geschenkt von der Partnerstadt Zalakaros zur Stadterhebung Puchheims am 17. Mai 2011
Geschätzter Wert: 400 Euro
Gleichgewicht des Materiellen und Geistigen
Die ungarische Malerin und Zeichnerin Erzsébet Vassy malte 2007 die neu erbaute katholische Kirche von Zalakaros. Das Bild, welches das Kirchengebäude in warmtonigen Farben und von sanften Formen umgeben darstellt, symbolisiert den Glauben, die Wichtigkeit der Traditionen und gleichzeitig auch die Modernität. Es steht für die Überzeugung der Künstlerin, dass nur das Gleichgewicht der materiellen und geistigen Werte die Harmonie zu sichern vermag. Stilistisch wirkt das Bild von der surrealistischen Malerei hergeleitet, bei der Traum und Unterbewusstsein in den Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens rücken. Die veristische Wiedergabe der Kirchenarchitektur aus einem phantastischen Raum mit floralen Gebilden im Vordergrund heraus verleiht dem Werk etwas Traumhaftes.
Josef Wahl
Heuarbeit in Puchheim-Ort (1986)
Ölfarben auf Holzplatte
Höhe 29 cm, Breite 39 cm
Standort: Rathaus, Untergeschoß
Ankauf vom Künstler 1986
Kaufpreis 1.300 DM
Bilderwelt von kindlicher Problemlosigkeit
Der Münchner Maler, Zeichner und Illustrator Josef Wahl hat sich mit Motiven aus seiner Heimatstadt, die er mit liebevollem Blick eingefangen und auf unverkennbare Weise in seinen Bildern wiedergegeben hat, einen Namen gemacht. Der Münchner Westen – Neuhausen, Nymphenburg, Pasing, Aubing und auch das angrenzende Puchheim – hat es ihm besonders angetan. 1986 malte Wahl zwei schnauzbärtige Männer und einen Burschen bei der Heuarbeit vor der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Puchheim-Ort. Jeder hat einen breiten Holzrechen in den Händen und ist Teil einer wohlgeordneten, zutiefst friedlichen Welt. Das saftige Grün der Wiese, der Sträucher und Baumkronen umgibt die beschauliche Dorfkirche mit ihrem schlichten Satteldachturm, ihrer weißen Fassade und den roten Dachziegeln. Der Gottesacker vor der Kirche bleibt hinter seiner Umfriedung verborgen. Nichts stört den Sommerfrieden unter dem strahlend blauen Himmel.
Josef Wahl ist ein typischer Vertreter der naiven Malerei, wie sie Henri Rousseau (1844-1910) zum Kunststil erhoben hat. Wie seinerzeit der gelernte Zöllner Rousseau ist auch Wahl zunächst „Sonntagsmaler“ und Autodidakt, seine Bilder strahlen eine fröhliche Buntheit aus, Mensch und Dinge werden in ihrer linearen Begrenzung scharf gegeneinander abgesetzt. Die kindliche Problemlosigkeit in Josef Wahls Bilderwelt zeigt sich auch in einem freien Umgang mit Proportionen und Perspektive. Auch nach dem Übergang vom „Sonntagsmaler“ zum freischaffenden Künstler (1985) bleibt die Malart unverändert.
Walter Weingart
Bauernhof (1981)
Aquarell
Höhe 29 cm, Breite 37 cm
Standort: Rathaus, Untergeschoß
Ankauf vom Künstler 1981
Kaufpreis ca. 600 DM
Ein Einfirsthof von der Stadelseite
Das Bildmotiv mit dem Arbeitstitel „Bauernhof“ ist realistisch im Stil der Freilichtmalerei des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts dargestellt: Ein großer Einfirsthof, in dem Mensch, Vieh und Vorräte unter einem Dach geborgen sind, zeigt sich von seiner Giebel- und Seitenansicht. Ungewöhnlich ist, dass das Bauernhaus nicht von der üblichen Schauseite mit dem Wohnteil abgebildet wird. Der Künstler rückt vielmehr die mit Brettern verschalte Stadelseite ins Zentrum des Bildes. Sie ist zum Teil durch gelbgrüne Baumkronen, zum Teil durch Hütten oder Anbauten verdeckt. Ein großes Schiebetor an der Traufseite verrät, dass es sich um einen sogenannten Mittertennhof handelt – ein landwirtschaftlicher Fachbegriff aus der Zeit, als das Getreide noch handgedroschen wurde. Die Szenerie ist unbelebt, und bis auf einen Garbenaufzug ist auch kein bäuerliches Gerät zu sehen. Flaches Grün- und Ackerland umgibt das Gehöft von drei Seiten; von rechts schiebt sich eine Baumgruppe oder ein Mischwäldchen ins Bild. Unter dem verschleierten Himmel kommt keine besondere Lichtstimmung zur Geltung.
Walter Weingart
Gasse (1980)
Aquarell
Höhe 50 cm, Breite 36 cm
Standort: Rathaus, Untergeschoß
Ankauf vom Künstler 1981
Kaufpreis ca. 600 DM
Im Stil der Freilichtmalerei um die Jahrhundertwende
Das Bildmotiv mit dem Arbeitstitel „Gasse“ ist realistisch im Stil der Freilichtmalerei des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts dargestellt: Ein unbelebter, unbefestigter Weg am Ortsrand windet sich um eine Häuserreihe, die sich hinter einer Linkskurve fortzusetzen scheint. Naturnah wiedergegebene Birken mit goldbraunem Herbstlaub bilden eine Halballee. Zwischen Wegrand und Vorgarten links steht windschief ein lückenhafter Staketenzaun. Gegenüber säumt eine grüne Buschreihe den rechten Wegrand. Über den Dächern der Wohnhäuser ragen die Baumkronen in einen mit blauen Flecken aufgeheiterten Himmel. Dominant in diesem Aquarell sind die Farben des Herbstes.
Walter Weingart
St. Josef (1981)
Aquarell
Höhe 30 cm, Breite 40 cm
Standort: Rathaus, Untergeschoß
Ankauf vom Künstler 1981
Kaufpreis ca. 600 DM
Betonarchitektur mit romantischem Beiwerk
Das Aquarell mit dem Arbeitstitel „St. Josef“ ist realistisch im Stil der Freilichtmalerei des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ausgeführt. Das Bildmotiv freilich ist deutlich jünger: Es handelt sich um den sachlich-nüchternen Gebäudekomplex des 1964-66 erbauten katholischen Pfarrzentrums St. Josef im Stadtteil Puchheim-Bahnhof, gesehen vom Standort am Grünen Markt. Doch anstatt sich – wie etwa Rudolf Wöretshofer in seinem großartigen Ölbild – mit der dargestellten Architektur kreativ auseinanderzusetzen, beschränkte der mit „Wagart“ signierende Künstler sich mit romantisch-dekorativem Beiwerk. So überwölbt in der Bildmitte das Laubwerk eines Astbogens malerisch den Campanile, der über dem Flachdach des Gemeindezentrums aufragt. Die sanften Rundungen einer Baumkrone überdecken am linken Bildrand den massiven Betonkubus der Kirche. Rechts lugen die Gebäude am Alois-Harbeck-Platz verschämt hinter Strauchwerk und Baumästen hervor. Keine Lebewesen zeigt sich vor der in Wasserfarben gemalten Kulisse.
Julius Wölfinger
Ehemaliges Zeillerhaus an der Oberen Lagerstraße (1965)
Pastell auf Karton unter Glas gerahmt
Höhe 56 cm, Breite 48 cm
Standort: Rathaus, Untergeschoß
Ankauf vom Künstler 1978
Kaufpreis 440 DM
Eine kontaminierte Idylle
Das in Pastellfarben auf Karton gemalte Bild stellt ein altes Siedlerhaus in Puchheim-Bahnhof, das ehemalige „Zeillerhaus“ dar. Julius Wölfinger hat es 1965 gemalt, zwei Jahre nachdem er von Eichstätt nach Puchheim umgezogen war. Er wohnte mit seiner Frau Hermine und Sohn Erich in der Oberen Lagerstraße 4, wo er den Ausblick auf das Anwesen in der Nachbarschaft als Bildmotiv entdeckte. Das naturalistische Bild ist im Stil der Münchner Schule des 19. Jahrhunderts gemalt. Die verhaltenen Gelbtöne des verwinkelten Gebäudes prägen die Bildmitte. Im unteren Drittel umsäumen ein alter Staketenzaun und eine ausgewachsene Nadelholzhecke den schneebedeckten Garten. Über den weißen Dächern ragen winterkahle Baumkronen in den bleigrauen Himmel. Schwacher Rauch kräuselt aus dem Kamin – das einzige Zeichen von Leben und Wärme in diesem frostigen Bild. Im Fundus der Stadt Puchheim zählt das Werk zu den wenigen, die ein idyllisches Motiv aus dem Ortsteil Bahnhof darstellen. In Anbetracht der Vita Julius Wölfingers handelt sich allerdings um eine kontaminierte Idylle.
Rudolf Wöretshofer
Wintertag in Puchheim-Bahnhof (1982)
Öl auf Leinwand
Höhe 50 cm, Breite 70 cm
Standort: Rathaus, 1. Obergeschoß
Ankauf vom Künstler 1982
Kaufpreis: 1.200 DM
Ausdrucksvolles Arrangement von Form, Licht und Farbe
Bei aller Wandlungsfähigkeit seines Malstils ist Rudolf Wöretshofer sein Künstlerleben lang der expressionistischen Bildauffassung treu geblieben. Das gesamte Arrangement seiner Bilder trägt zum Ausdruck bei. Auch in diesem Werk gelingt ihm ein virtuoses Spiel mit Licht und Farbe. Der Maler taucht den nüchternen Gebäudekomplex der Puchheimer St.-Josefs-Kirche in das sanfte Rot der Morgensonne. Das Licht mildert die architektonische Strenge der kubischen Baukörper, die der Maler von der nördlichen Eckansicht her bildwirksam in Szene setzt. Kahle, schneebedeckte Bäume kontrastieren mit den Würfeln und Quadern des Bauwerks, ein Baumriese ragt bis ans Turmkreuz empor.
Eine Schneespur rechts im Vordergrund kurvt an zwei Christkindlmarktbuden und einem gelben Telefonhäuschen vorbei – auch dies ein kunstvolles Spiel mit Farbe, Kontur und Form. Charakteristisch für Wöretshofers expressionistischen Malstil sind die schwarzen Umrisslinien an den unverzerrt abgebildeten Objekten. Der flirrende Wintermorgen-Himmel wird mit einbezogen in das Farb- und Lichterlebnis, das dieses Bild ausstrahlt und seinen Ausdrucksgehalt steigert.
Der Mensch kommt nicht vor in diesem Bild – Wöretshofer geht es vielmehr um den Menschen vor dem Bild. Ihn, den Betrachter, versucht er unmittelbar zu erreichen und innerlich anzusprechen. Das Puchheimer Winterbild ist ein eindrucksvolles Beispiel für den hohen künstlerischen Anspruch, den Wöretshofer an sich selber stellte. Man schaut das Bild an und spürt die innere Kraft, die darin steckt. Das macht Rudolf Wöretshofers Werke so unverwechselbar und erlebenswert.
Guido Zingerl
1968 (2012)
Grafik, Tusche auf Papier
Höhe 52,2 cm, Breite 62,5 cm
Standort: Rathaus, 1. Obergeschoss
Schenkung des Künstlers am 30. September 2020 anlässlich der Ausstellungseröffnung zur „Woche der Demokratie“ im PUC. Wert ca. 800 Euro.
„1968“ – Wider die Selbsterstarrung der Demokratie
Drei ausgewählte Grafiken des Fürstenfeldbrucker Malers und Zeichners Guido Zingerl präsentierte die Stadt Puchheim im Herbst 2020 in einer Ausstellung zur „Woche der Demokratie“: „Ossietzky“, „1968“ und „Wege zum Glück“. Alle drei thematisieren ein und dasselbe Thema in drei verschieden Epochen: die bedrohte Demokratie. Gerne nahm die Stadt Puchheim das Angebot des Künstlers an, sich eines der drei Bilder als Schenkung auszusuchen.
Im bildlich dargestellten Getümmel ragen Guido Zingerl (links im Vordergrund) und seine Frau Ingrid (links oben) als Mitwirkende heraus. Die Selbstdarstellung unterstreicht die ungebrochene Solidarität der beiden mit den Protagonisten jener gesellschaftlichen Revolte, deren Triebkräfte die sogenannten „Achtundsechziger“ waren. Die bis zum Jahr 1968 weithin unterbliebene Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit war ein wesentlicher Auslöser der nachfolgenden Demonstrationen, Vorlesungsstreiks, Sit-Ins und anderen, zumeist studentischen Aktionen. Ohne Waffen erheben sich die abgebildeten Aktiven gegen die herrschenden Eliten, die ein übermächtiger Großkapitalist (rechts oben) unter seiner Fuchtel hält: Richter und Gelehrte, Kirchenmänner und hochdekorierte Militärs, Wirtschaftsbosse und Politiker. Das Hakenkreuz am Doktorhut symbolisiert die Bedrohung der Demokratie durch ihre Selbsterstarrung – ausgelöst durch die Rückkehr straffrei gebliebener Eliten des NS-Regimes an ihre alten Führungspositionen – unter dem Deckmantel des Verschweigens und Verleugnens. Der Holocaust findet sich in die unterste rechte Ecke verdrängt, während Bankentürme in die Höhe wachsen und das Trieb- und Netzwerk einer globalen Weltwirtschaft den Planeten überwuchert. In der fein strukturierten und tollkühn komponierten Zeichnung entlädt sich Zingerls Wut über eine bedrohliche Entwicklung für die Demokratie: Im April 1968 gelang es der NPD, die unverhohlen an nationalsozialistisches Gedankengut anknüpfte, unter ihrem Führer Adolf von Thadden mit 9,8 Prozent in den baden-württembergischen Landtag einzuziehen. Was Zingerl aus eigener Erfahrung und Erinnerung bildlich festgehalten hat, ist heute wieder erschreckend aktuell.