Hochaktuell war das Hauptthema des Puchheimer Agendafrühstücks am 24. Juni in diesem Jahr. Die Geothermie, seit Monaten ein dominierendes Thema in der Stadt, bestimmte auch den Sonntagvormittag im Sitzungssaal des Rathauses.
Dr. Manfred Sengl, Vorsitzender des Umweltbeirats und Umweltreferent des Puchheimer Stadtrats, begrüßte neben fast 50 Gästen die beiden Referenten Ferdinand Flechtner von der Geothermie-Allianz Bayern (GAB) und Dr. Christian Pletl von den Stadtwerken München (SWM). Ein Sonntag ganz im Zeichen der Umwelt, sagte Sengl und verwies auf den Tag der offenen Gartentür in Puchheim und auf den bundesweiten Aktionstag zum Kohleausstieg. Die Geothermie als CO2-arme Wärmeversorgung passe sehr gut in dieses Umfeld.
Einen Überblick über die Geologie im bayerischen Voralpenland sowie über die Technik und Ausbausituation der Geothermie gab Ferdinand Flechtner, Geologe beim Forschungsverbund GAB, in dem über 30 Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen an unterschiedlichen Aspekten der Geothermie forschen. Anhand eines geologischen Nord-Süd-Schnittes erklärte Flechtner die bevorzugte Situation des südbayerischen Raumes, in dem wie in wenigen anderen Gebieten Deutschlands eine Erschließung von Geothermie zur umwelt- und klimafreundlichen Wärmeversorgung möglich sei. Pro 100 Meter Tiefe steige die Thermalwassertemperatur um 3 bis 3,5 Grad Celsius an, so Flechtner, Puchheim gehöre mit erwarteten 85 Grad bereits zu der Region, in der Tiefengeothermie technisch gut gewinnbar und wirtschaftlich sinnvoll sei.
Insbesondere Flechtners Erklärungen zu den Möglichkeiten, heißes Wasser durch Bohrungen in sogenannte Störungszonen, also Brüche der wasserführenden Gesteinsschicht, oder in Riffstrukturen zu erschließen, stießen bei den Besuchern auf großes Interesse. Auch Zuhörer-Fragen zur möglichen räumlichen Dichte von Geothermiebohrungen, zum Thermalwasserinventar im tiefen Untergrund oder zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu anderen Geothermiestandorten wusste Flechtner profund zu beantworten.
Als zweiter Referent des Tages erläuterte Dr. Christian Pletl den Besuchern die Erfahrungen und Kompetenzen der SWM auf dem Gebiet der Tiefengeothermie. Mit der bereits 2004 in München-Riem in Betrieb genommenen Anlage gehörten die SWM zu den Pionieren in der bayerischen Geothermie, und schon dieses erste Projekt habe gezeigt, dass Wärmeversorgung aus Geothermie wunderbar funktioniert, so Pletl. Bestärkt durch diesen Erfolg hätten die SWM weitere Projekte in Angriff genommen. Das jüngste Heizwerk stehe derzeit in Freiham, und in München-Sendling werde bereits wieder gebohrt, um das größte Geothermieprojekt Europas zu errichten.
Zur Wärmeversorgung des neuen Stadtteils Freiham seien verschiedene Energiekonzepte untersucht worden, erzählte Pletl, die Geothermie ist als mit Abstand vorteilhafteste Option übriggeblieben und gleichzeitig auch die ökologischste Variante. Dort, wo man eine Wärmeversorgung aus Geothermie realisieren könne, so Pletl, sei es sinnlos und unvernünftig, für den gleichen Zweck fossile Energieträger zu verbrennen. Die Entscheidung für Geothermie in Freiham hat sich für die SWM noch mehr gelohnt als erwartet sowohl die Thermalwassertemperatur mit 90 Grad als auch die Förderrate mit 100 Litern pro Sekunde liegen über den Prognosen.
Auch zum Thema Erdbebenrisiko nahm Pletl vor dem Hintergrund der langjährigen Erfahrungen seines Unternehmens mit dem Betrieb von Geothermieanlagen Stellung. An allen Geothermiestandorten der SWM seien selbstverständlich seismische Messstationen installiert, erklärte Pletl. Diese seien so sensibel, dass auch Erdbeben in der Schweiz oder in Italien registriert würden.
Wir müssen bereits Werte, die unter den in Poing registrierten Messwerten liegen, an das Landesamt für Umwelt melden, und natürlich wären solche Ereignisse auch auf der Internetseite des Landeserdbebendienstes einzusehen, sagte Pletl. Erdstöße, die auf einen Zusammenhang mit Geothermie hindeuteten, hätten die Messgeräte in Freiham jedoch keine registriert. Pletl: Selbst wenn die Geothermie möglicherweise Mikrobeben auslösen kann, ein Schadbeben halten wir für extrem unwahrscheinlich. Im Gegenteil sei Geothermie für ihn eine einmalige Chance, eine lokale, dauerhafte, sichere und klimaschonende Energieversorgung zu erreichen, resümierte Pletl.
Bürgermeister Norbert Seidl verwies abschließend nochmals auf die von den Referenten dargestellten Vorteile der Geothermie und betonte den Willen der Stadt, dieses Projekt als Partner des privaten Investors zu realisieren: Wir wollen uns beteiligen, weil die Stadt die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger vertritt und wir uns in deren Sinn Einfluss und Mitspracherecht sichern wollen. Müsste die Stadt das Recht zur Aufsuchung von Geothermie zurückgeben, könnten prinzipiell jede Kommune innerhalb des Erlaubnisfeldes und auch jeder Privatinvestor die Genehmigung neu beantragen und erhalten. Die Stadt wäre dann aber nur Zuschauer, so Seidl.
Veröffentlicht im Juni 2018.