Volkstrauertag am 19. November 2023 – Ansprache Erster Bürgermeister Norbert Seidl: Im Zeichen der Freiheit

Sehr geehrte Anwesende,

wir haben uns als Stadt Puchheim im zweiten Halbjahr 2023 den Themenschwerpunkt „Freiheit“ gewählt. Ein Thema, das angesichts der Infragestellung von Demokratie und grundgesetzlicher Verfasstheit unseres Staates durchaus Bedeutung und Relevanz hat.

Ich möchte diesen Themenschwerpunkt an diesem Volkstrauertag aufgreifen mit der sehr ernsten, aber schwierigen Frage: Wofür sind denn die Männer, deren Namen hier und in Puchheim-Ort auf dem Gedenkstein eingraviert sind, eigentlich gestorben? Warum gab es denn eigentlich diese zwei Weltkriege? Was hätte denn eigentlich erreicht werden sollen mit den Angriffen auf die benachbarten Länder?

Der Erste Weltkrieg wurde durch den Kaiser begonnen, um mehr Land und damit mehr Bodenschätze, landwirtschaftliche Fläche, mehr Arbeitssklaven zu erobern. Nach der Katastrophe dieses Weltkrieges konnte die imperialistisch kolonialistische Begründung von Kriegszielen nicht mehr herhalten. Es war einigermaßen Konsens: „Man überfällt kein eigenständiges Land, um reicher zu werden, denn am Ende sind beide Länder ärmer.“

Die Nazi-Kriegstreiber hatten jedoch sehr wohl noch diese Intention als internes Ziel. Sie haben allerdings in ihre Propaganda eine weit perfidere Argumentation eingeführt mit dem Narrativ, dass das Deutsche Reich eingeengt, unterdrückt, ja geknechtet sei. Das deutsche Volk musste also befreit werden vom Versailler Vertrag, von den jüdischen Blutsaugern, von dem begrenzten Lebensraum für die überlegene arische Rasse. Und es mussten auch die deutschen Völker in der Fremdherrschaft befreit werden und heim ins Reich geholt werden: das Rheinland, Österreich, die Tschechoslowakei usw. Dafür konnte man Kriegsbegeisterung auslösen. Diese Männer sind gestorben, weil man ihnen und ihren Familien eingeredet hat, dass sie für eine gute Sache in den Krieg ziehen: für die Freiheit.

Wiederholt sich Geschichte? Kriegsgeschichte schon. Die Russen haben die Spezialoperation begonnen zur Befreiung der Krim, des Donbass und letztlich der ganzen Ukraine. Auf der ganzen Welt ziehen Befreiungsarmeen in den Krieg, um unterdrückte Bevölkerungsgruppen zu befreien. Angefangen vom Sudan hin zu Operation Endouring Freedom der US-Armee im Irak. Und die PLO, die Palästinensische Befreiungsorganisation, findet es unausweichlich, dass mit dem Terror der Hamas das palästinensische Volk seine Freiheit zurückerhält.

Alles Kriege im Zeichen der Freiheit.

Was haben wir für ein Glück, wie dankbar müssen wir sein, dass wir in einem freien Land leben, dass unsere Freiheit geschützt ist, dass wir die Freiheit der anderen achten. Nur durch diese unsere Freiheit haben wir die Chance für den Frieden. Frieden ohne Freiheit wird brüchig und verliert sich. Und umgekehrt gibt es keine tragfähige Freiheit ohne Frieden. In keinem Krieg, und sei er auch noch gerechtfertigt, sind die Menschen, die im Krieg leben, frei. Der Krieg kann nur letztes, weil schlimmstes Mittel sein, um Freiheit zu erwirken. Davor gilt es, für den Frieden zu streiten, das Gerede nach angeblicher Befreiung mehr als kritisch zu überprüfen und die Ergebnisse der Kriege der Vergangenheit dem allzu schnellen Hurra entgegenzuhalten.

Frieden und Freiheit, Freiheit und Frieden gehören zusammen und bedingen sich. Dieser Zusammenhang hat sich seit fast achtzig Jahren hier bei uns bestätigt. Für diesen wahrlich glücksbringenden Zustand müssen wir uns einsetzen: bei uns, zu allen Zeiten und auf der ganzen Welt.

Deshalb ist es gut, dass wir heute am Volkstrauertag vor den Kriegerdenkmälern stehen. Wir denken an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker. Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren. Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde. Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren. Wir erinnern heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind. Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land. Wir trauen mit allen, die Leid tragen um die Toten und teilen ihren Schmerz.

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt. Wir erinnern uns daran und deswegen wissen wir, dass Frieden das einzige Ziel sein muss.

Im Namen der Stadt Puchheim lege ich als Zeichen des Gedenkens und Erinnerns einen Kranz hier nieder. Im Namen der Stadt Puchheim wird ein Kranz in Puchheim-Ort niedergelegt.

Veröffentlicht im November 2023.

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