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Haushalt 2022

Aus einer Rede von Erstem Bürgermeister Norbert Seidl anlässlich der Haushaltsberatungen 2022 - 2025 in der Stadtratssitzung vom 25. Januar 2022:

Die Verabschiedung des Haushaltes ist in gewisser Weise die Königsdisziplin im Jahresverlauf einer Stadtverwaltung. Sie erfordert eine angemessene Aufmerksamkeit, da die Grundlinien der politischen Entwicklungen durch die Ausstattungen mit Finanzmitteln dargelegt werden.

In Puchheim bedarf es gegenwärtig besonderer Aufmerksamkeit, da einerseits die Corona-Pandemie Defizite auf der Ertragsseite ausgelöst hat und andererseits die Greensill-Insolvenz einen Verlust in Millionenhöhe bedeutet. Bei Ersterem besteht berechtigtes Interesse daran zu erfahren, wie die Stadtpolitik mit Ertragslücken umzugehen gedenkt, ob und was dadurch nicht mehr ausfinanziert werden kann und wie dieser Verlust auf Dauer kompensiert werden soll. Bei der Greensill-Insolvenz bleibt die Forderung nach einer Antwort auf die Fragen, ob und wie der Verlust des Geldes hätte vermieden werden können, welche Löcher im Haushalt entstehen und welche Lehren man für die zukünftige Anlage von Geldern ziehen wird.

Ich kann beim Themenkomplex Greensill noch nicht umfassend berichten, hier fehlen noch Stellungnahmen und Beurteilungen. Eines möchte ich klarstellen: Die Presse hat in diversen Jahresrückblicken das Thema aufgegriffen und mit der Headline – „Puchheim hat sich verzockt“ - tituliert. Mir erschließt es sich nicht, warum ein Zinsangebot mit 0,5 % über Standard ein Zockerangebot sein soll, das Tausenden von Sparkassen- und Bankkund:innen genauso empfohlen wurde und das zahlreiche Kommunen zur Abwehr von Verwahrentgelten abgeschlossen haben. Das ist kein Zocken, sondern dahinter steckt das kriminelle Geschäftsgebaren einer deutschen Bank, die durch die Bankenaufsicht nicht ausreichend kontrolliert worden ist. Ob für Puchheim ein Schaden in Höhe von zwei Millionen entsteht, hängt vom Ausgang des Insolvenzverfahrens ab. In den Haushalt sind diese zwei Millionen Euro als verminderte liquide Mittel eingepreist worden.

Welche Überschrift könnte dieser Haushaltsentwurf 2022 erhalten? Welcher Ansatz drückt sich in diesem fast fünfhundert Seiten umfassenden Dokument aus? Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass mit diesem Dokument ein sehr konzentrierter Entwurf vorliegt, was sowohl die Anzahl und Auswahl der möglichen Projekte als auch die Anträge der Fraktionen betrifft. Die laufenden Verwaltungsaufgaben wurden in mehreren Prüfungsschleifen auf Notwendigkeit abgeklopft. Der Kämmerer würde sagen: Aus diesen Zahlen ist die Luft rausgelassen. Übrigens auch bei den Erträgen. Die Gewerbesteuereinnahmen, die in Puchheim wesentlich über den Saldo des Jahresergebnisses entscheiden, sind defensiv auf Baseline angesetzt. Eben auch um Sicherheit zu haben und Risiko zu minimieren. Diese beschriebene grundsätzliche Herangehensweise bedeutet dann aber auch, dass dieser Haushalt zumindest 2022 ohne Wumms und ohne Booster daherkommt.

Stabilisierung und Vorsicht sind angesichts Corona, Inflation und Baufieber wichtige Kriterien. Es wurde berücksichtigt, dass wir mit 2022 sicher noch ein Jahr erleben werden, das auf allen Ebenen mit Einschränkungen zu kämpfen hat. Schwerpunkte und Akzente wurden dennoch gesetzt, beispielsweise bei Investitionen im Bildungsbereich: Die Laurenzer Grundschule mit 15 Millionen Euro, Kindergartenerweiterungen 2,5 Millionen Euro, Mittelschule 15 Millionen Euro, Außenanlagen Grundschule Süd und raumlufttechnische Anlagen insgesamt 1,2 Millionen Euro, raumlufttechnische Anlagen Grundschule Gernerplatz 0,6 Millionen Euro – Insgesamt 35 Millionen Euro brutto. Puchheim war schon immer eine kinderfreundliche Stadt. Meine Vorgänger haben sehr frühzeitig auf den Ausbau der Schulen und Kinderbetreuung in Puchheim gesetzt. Ich bin mir zu einhundert Prozent sicher, dass jeder Euro, der in Bildung angelegt wird, eine mehrfache Rendite für die Gemeinschaft und Gesellschaft erbringt. Deswegen kann es nur vernünftig sein, Schulen optimal auszustatten, Kitas zu unterstützen und informelle Bildungsangebote wie Bibliothek, Musikschule oder VHS zu fördern. Das tun wir. An dieser Stelle zu knapsen wäre falsch. Bildung ist Zukunftsressource, für die Strukturen und Potenziale durch die Kommune eröffnet werden müssen.

Der zweite Schwerpunkt des Haushaltes 2022 liegt im Bereich der Digitalisierung. Auch dies ist konsequent und zielführend. Mithilfe technischer Unterstützung können Verwaltungsdienstleistungen effektiver und effizienter und bürgernäher abgearbeitet werden. Angesichts des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften, auch in der Verwaltung, stellt Digitalisierung eine Antwort dar. Nicht zuletzt ist damit die große Hoffnung verbunden, Abläufe und Entscheidungen zu beschleunigen. Die Hoffnung lebt, aber sehr lebendig ist sie nicht. Die Erfahrungen, dass mit jeder Digitalisierungswelle noch mehr Zusatzaufwand dazugekommen ist, stattet wahrscheinlich meine Generation mit Skepsis aus. Dennoch sehe auch ich das Werkzeug Computer als großen Schritt hin zu Wertschöpfung und qualitativen Wachstum. Deswegen ist es entscheidend, dass die lernende Generation an den Schulen alle Voraussetzungen dafür erwirbt, sich mit diesem Instrument auseinanderzusetzen, es zu verstehen und intelligent anzuwenden. Nicht nur um eventuelles Homeschooling aufzufangen, sondern um künstliche Intelligenz, Robotik oder Programmieren als Early Adopter zu erlernen. Die Investitionen für Schulen und Bibliothek belaufen sich in Summe auf 2,2 Millionen Euro. Sie stehen hier im Haushalt 2022 zur Verfügung. Für das Rathaus stehen 1,8 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Für Lizenzen und Ersatzanschaffungen sind weitere Gelder eingestellt.

Dass die Stadt die Feuerwehren mit zusätzlichen Investitionen ausstattet, basiert auf der Einsicht, dass diese Organisationen im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendig und systemrelevant sind. Funktionierende Ordnungs- und Sicherheitskräfte sind unabdingbar und brauchen keine rechtfertigende Begründung: Drehleiter, Gerätehaussanierung, Gerätewart, Sirenenprogramm, Notstromaggregat usw. sind Bausteine, die im Haushalt auftauchen.

Wenn sich also die Ausgabenliste bei der Aufstellung des Haushaltes sehr schnell und ungetrübt füllt, bleibt die Einnahmenseite auf wenige Zeilen beschränkt. Privatrechtliche Entgelte, das ist so eine Zeile, bei der sich beispielsweise Kita-Gebühren verstecken können oder aber Eintrittspreise für die Kultur. Zeile sechs ist mit Bedacht anzupassen, denn die Bereitschaft der Bürger:innen, den Geldbeutel für den Staat aufzumachen, ist traditionell beschränkt. Das Hauptorchester spielt sowieso in Zeile eins: Steuern und ähnliche Abgaben. Wobei neben der Grundsteuer, die demnächst so reformiert werden soll, dass niemand mehr zahlen muss als bisher, eben Einkommens- und Gewerbesteuer die jeweils größten Einnahmeanteile einbringen. Ich möchte hier ganz klar formulieren; ohne eine weitere ansteigende Gewerbesteuerquote wird sich die Stadt Puchheim auf Dauer die technische, ökologische und soziale Infrastruktur auf dem gegenwärtigen Niveau nicht leisten können. Auf diese Herausforderungen mit der Anpassung des Gewerbesteuerhebesatzes zu reagieren ist ein gewagtes Spiel, das in beide Richtungen laufen könnte. Firmen brauchen Planungssicherheit und sie brauchen Perspektive für Entwicklungen. Puchheim hat drei Gewerbegebiete, die je ihre eigene Struktur haben, gut funktionieren und, das ist das Problem, ausgebucht sind. Wenn mich also ein in Wasserstofftechnologie forschendes Unternehmen anfragt, ob denn die Stadt für eine Firmenerweiterung mit einem Grundstück unterstützen könne, endet das Gespräch nach fünf Minuten. Was bleibt der Firma anderes übrig, als in Maisach oder in Alling zu schauen. Nicht umsonst sind das die beiden Kommunen, die eine höhere Umlagekraft als Puchheim haben. Lassen Sie uns auf die Erweiterungsfähigkeiten für Gewerbegebiete in Puchheim den Fokus richten! Das können neue Flächen sein, das können Inkubatoren sein, es können Co-Working-Plätze sein. Und es müssen auch Wohnungen für Arbeitnehmer:innen, Ingenieur:innen und Familien sein, oder eben für die, die Kinder der Arbeitskräfte betreuen. Wir brauchen hier dringend neue Möglichkeiten und die Stadt kann an diesem Punkt aktiv gestalten. Ich weiß, dass jede Veränderung zur Zeit Sorge und Widerstand auslöst und dennoch kommen wir da nicht drum herum. Ich weiß, dass Transformation Zuversicht braucht, damit ein Mitmachen angestoßen wird und die reine Notwendigkeit eher als Druck empfunden wird, gegen den man erst einmal mit Gegendruck reagiert. Ich weiß, dass Fortschritt, den man wagen soll, nur mit einer Verschlankung von Prozessen, mit Entscheidungsfreude und mit Beinfreiheit für die Kommunen entstehen wird. Aber es müsste gehen, dass wir, wenn wir nach Corona wieder etwas mehr Kopffreiheit haben, eine Stimmung vor Ort hinbekommen, die ein bisschen was von 1972 haben wird und viel von Fridays for Future.

Dieser Haushalt ist tauglich und angemessen. Er setzt Akzente, formuliert aber relativ wenig politischen Anspruch. Er ist genehmigungsfähig und definiert einen vernünftigen Aufgabenkatalog. Er sichert in unsicheren Zeiten die Handlungsfähigkeit der Stadt und kann als Vorbereitung für Zeiten mit mehr Dynamik und Entschlossenheit genutzt werden.

Für die Erstellung dieses Haushaltsplanes möchte ich mich bedanken: Bei der Kämmerei mit Herrn Heitmeir und Frau Hänel, bei den Referatsleitungen, bei Herrn Tönjes für den Stellenplan, bei den Mitgliedern des Finanz- und Wirtschaftsausschusses für die Durcharbeit und die konzentrierte Beratung.

Ich bitte den Stadtrat um Bestätigung des Empfehlungsbeschlusses. Ermächtigen Sie uns, damit wir mit der Arbeit für die Stadt Puchheim gezielt und energisch weitermachen können.

 

Norbert Seidl

Erster Bürgermeister

Veröffentlicht im Januar 2022

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